Zum Hauptinhalt springen

Fachforum Informatik der Hamburger Schulbehörde zum verpflichtenden Informatikunterricht

Die Bürgerschaft der Freien Hansestadt Hamburg ersuchte im Frühjahr 2022 den Senat, ein Konzept zu entwickeln, wie Informatikunterricht in Hamburg perspektivisch zu einem Pflichtfach in der Mittelstufe der weiterführenden Schulen ausgebaut werden kann. Am 30. August 2022 fand in diesem Zuge das Fachforum Informatik der Hamburger Schulbehörde statt.

Schulsenator Ties Rabe stellte in seinem Grußwort klar, dass Informatik als Pflichtfach kommen wird. Das Vorhaben fand Zuspruch von allen Seiten: Schüler*innen- und Elternkammer waren ebenso vertreten wie Vertreter*innen der Wissenschaft und der Wirtschaft.

Christine Regitz, Präsidentin der Gesellschaft für Informatik, klärte zunächst, was Informatik überhaupt ist. Anhand vieler aktueller Publikationen, insbesondere der Empfehlung des Wissenschaftsrats, der Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK, des Gutachtens der Expertenkommission Forschung und Innovation sowie des MINT-Frühjahrsreports 2022 des Instituts für Deutsche Wirtschaft belegte sie den vielfach geäußerten Bedarf an einem Pflichtfach Informatik. In diesem Zusammenhang verwies sie auch auf den Informatik-Monitor (www.informatik-monitor.de), der den Stand des Informatikunterrichts in den unterschiedlichen Bundesländern aufzeigt.

Als wichtige Ziele des Informatikunterrichts benannte sie:

  • Mündige Bürger*innen ausbilden
  • Mehr Mädchen begeistern
  • Kooperation, Kommunikation und Konfliktfähigkeit fördern

Torsten Otto, langjähriges Mitglied im Leitungsgremium der SH-HILL, stellte anhand von motivierenden Beispielen aus der Schulpraxis den kreativen und handlungsorientierten Charakter des Fachs Informatik heraus. In Projekten im Informatik-Unterricht erleben die Schüler*innen Selbstwirksamkeit und lernen ein Verständnis der digital geprägten Welt. Er schlug die Entwicklung eines Gesamtkonzepts sowohl für ein Spiralcurriculum der informatischen Bildung als auch die Umsetzung der KMK-Vorgaben für die Medienbildung vor. Hierbei sollte neben einem Pflichtfach Informatik auch ein Angebot im Wahlpflichtbereich zur Vertiefung erhalten bleiben.

Anschließend an die beiden einleitenden Vorträge fanden drei Workshops zu vertiefenden Fragestellungen statt.

In Workshop 1 & 2, die zusammengelegt wurden, wurde die Frage diskutiert, ob Schule ohne das Fach Informatik noch allgemeinbildend ist und was das Fach Informatik leisten muss. Prof. Ira Diethelm führte in einem Impulsvortrag die Rolle des Informatikunterrichts in der KMK-Strategie Bildung in der digitalen Welt sowie in deren Ergänzung im Jahr 2021 aus. Insbesondere in letzterer wird der Informatikunterricht über den fächerübergreifenden Ansatz hinaus explizit erwähnt. Am Rande wurden auch Befürchtungen diskutiert, ob sich dann nicht Lehrkräfte anderer Fächer zurücklehnen, wenn es das Fach Informatik gibt. Fazit: Wir brauchen nicht nur Lehrkräfte für den Informatik-Unterricht, sondern auch eine breite informatische Bildung aller Lehrkräfte.

Im dritten Workshop ging es um die Kompetenzen, die die Schüler*innen in einem Fach Informatik für alle erwerben sollen. Große Einigkeit bestand darin, dass es in einem verpflichtenden Fachunterricht um Allgemeinbildung geht, nicht etwa um eine spezielle Programmierausbildung. Dem "selbst Gestalten" wird ein großer Stellenwert zugemessen. Grundlage des Informatik-Unterrichts müssen langlebige Konzepte sein, die exemplarisch aber generalisierbar Methoden und Arbeitsweisen der Informatik verdeutlichen. Um neuen Entwicklungen Im Informatikunterricht gerecht werden zu können, soll ein Curriculum des Schulfaches nicht zu fest gezerrt werden, sondern flexibel bleiben.

Im vierten Workshop ging es um die praktische Umsetzung am Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, um anschließend daraus Schlüsse für Hamburg zu ziehen. Hier wurde aus der Praxis berichtet und klargestellt, dass es nicht mit Tablets und ohne Fachräume gehen wird, also dass es mindestens eine solide Absicherung der Infrastruktur braucht, deren Betreuung nicht von Informatik-Lehrkräften "nebenbei" zu leisten sein wird. Durch die Einführung eines Pflichtfaches könnte es eine schwierige Übergangsphase die Personalsituation betreffend geben, die sich aber mittel- und längerfristig durch eine deutliche Motivationssteigerung das Lehramt Informatik zu studieren entspannen kann. Dies zeigt sich in den Bundesländern, die diesen Prozess bereits durchgemacht haben. Informatikunterricht als projektorientierter und produktorientierter Unterricht ist kein Fach wie jedes andere, sondern stärkt auch andere Fächer in überfachlichen Kompetenzen wie projektorientiertem Vorgehen und technisch-strategischem Denken. Viele Stimmen im Workshop bemängelten eine zu dürftige Infrastruktur und zu wenig Kapazitäten für diese in Schule. Eine funktionierende Technik im Hintergrund wie stabiles WLAN und Geräteadministration wird durch einen verpflichtenden Informatikunterricht noch wichtiger werden als sie bisher schon ist.

In der Abschlussdiskussion wurde thematisiert, dass es an der Universität Hamburg noch immer einen schulfachunabhängigen Numerus Clausus für die Aufnahme des Lehramtsstudiums gibt, der auch ein Grund für die geringe Anzahl an Studierenden für das Lehramt Informatik ist. Es müssen zudem Lösungen für die Schulinfrastruktur gefunden werden, denn die Gehälter für Administratoren sind an anderen Stellen deutlich besser als im öffentlichen Dienst. Für die Übergangsphase müssen pragmatisch Lösungen gefunden werden und eine regelmäßige Kommunikation und Austausch verschiedener Akteur*innen etabliert werden.

Fazit: Ab wann genau und mit wie vielen Wochenstunden das Pflichtfach Informatik kommen wird, steht noch nicht fest. Das soll nun in einem längeren Prozess, zu dem das Fachforum als Auftakt diente, erarbeitet werden. Erfreulich ist, dass es ein Prozess sein wird, bei dem viele Perspektiven einfließen sollen - zur Mitarbeit wurde explizit eingeladen. Die Fachgruppe SH-HILL wird hier am Ball bleiben und über ihre Mitgliedsliste und andere Kanäle informieren.